7:30 Uhr im CaritasKlinikum Saarbrücken. Dienstbeginn für Dr. Jan-Nicolas Herzog. Der Assistenzarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin ist heute im Notarzt-Einsatz. Doch entgegen dem sonst oft stressigen Alltag als Notarzt kann er es ausnahmsweise entspannt angehen lassen, denn der Notarzt-Wagen steht nicht in der Garage. „Ich kam gerade am Ludwigskreisel hoch Richtung Klinik, da kam mir der Notarztwagen entgegen“, erzählt er. „Ich wusste also schon, dass ich noch ein bisschen Zeit habe.“ Also setzt er sich erstmal zu den Kollegen vom Malteser-Hilfsdienst, dessen Notfallsanitäter den Einsatz-Wagen des Arztes fahren, und nimmt sich eine Tasse Kaffee.
Um 8:58 Uhr geht der Alarm los. Sämtliche Geräte im Raum beginnen zu piepen und vibrieren. Ein letzter Biss ins Brötchen und auf geht’s. Die ersten Infos von der Rettungsleitstelle treffen ein: Notfall in einem Saarbrücker Altenheim, Verdacht auf Atemstörung.
Vor Ort wird Jan-Nicolas Herzog von der Heimleitung direkt in das Patientenzimmer gebracht. Bestandsaufnahme: Ein Bewohner kriegt schlecht Luft, hat Rasselgeräusche, die Sauerstoffsättigung ist auf 76 Prozent gefallen, er ist desorientiert. Dann kommen schon die Kollegen vom Rettungsdienst. Eine Sauerstoffmaske wird aufgezogen. Jan-Nicolas Herzog schaut sich gewissenhaft alle Arztbriefe an, fragt Medikamente ab. „Hatte er Probleme beim Essen?“ „Nein“. Es gibt keine Hinweise auf Herzinsuffizienz oder Lungenerkrankungen, auch das EKG zeigt nichts Untypisches. Im Rettungsteam spielt man sich die Bälle zu, der eine untersucht, während der andere die Medikamente aufzieht. „Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen, um das abklären zu lassen.“ Der Kollege vom Malteser Rettungsdienst ruft bei der Leitstelle an, um das nächste freie Krankenhaus zu erfragen. Letzte Absprache mit dem Pflegepersonal, dann geht’s los. „Das Schema ist immer gleich – das gibt Sicherheit“, sagt der Notarzt und schnappt sich seinen Koffer.
Im Rettungswagen redet Jan-Nicolas Herzog unentwegt mit dem Patienten. „Geht das so? Wir wissen, dass die Fahrt unangenehm ist. Wir sind jetzt unterwegs ins Krankenhaus.“ Trotz Blaulicht gilt es, auf die Saarbahn aufzupassen: „Die ist stärker als wir“, sagt Jan-Nicolas und lacht.
Im Schockraum des Krankenhauses dann die Übergabe: B- und C-Problematik, Positiver Schock-Index – ruhig aber bestimmt gibt der Notarzt die wichtigsten Schlagworte und Informationen weiter. Der „Teamleader“ der Notaufnahme wiederholt alles und schaut sich das Protokoll an. „In dieser Situation gilt es, innerhalb kurzer Zeit die Informationen für alle bereitzuhalten“, erklärt Jan-Nicolas Herzog. Mit der Arbeitsdiagnose ‚Lungenödem‘ ist seine Arbeit hier getan und er kann sich von den Kollegen verabschieden.
Nach eineinhalb Stunden ist Herzog zurück in der Klinik. Die verbrauchten Betäubungsmittel müssen aufgefüllt werden. Sie lagern in einem gut verschlossenen Schrank auf der Intensivstation. In Büchern wird genau dokumentiert, was wofür verbraucht wurde. Das Betäubungsmittel steckt Jan-Nicolas in seine Tasche: „Das bleibt immer direkt beim Notarzt.“
Der 32-Jährige kommt ursprünglich aus Nonnweiler und entdeckte früh seine Begeisterung für die Medizin: „Schon als Kind fand ich es unglaublich spannend, Menschen zu helfen und war total fasziniert von der Serie ‚Medicopter 117‘ und dem Berufsfeld des Arztes.“ Nach der Schule absolvierte Jan-Nicolas Herzog zunächst ein Praktikum in der Pflege, bevor er in Homburg das Medizin-Studium begann. „Obwohl ich mir verschiedene Fachrichtungen angeschaut habe, ist es immer bei meiner anfänglichen Faszination für die Anästhesie und Notfallmedizin geblieben. Man hat ein breites Spektrum, wechselt zwischen OP und Notarztdiensten und man muss in Notfallsituationen nicht nur maximal fokussiert sein, sondern auch perfekt im Team zusammenarbeiten. Das gefällt mir.“
Die Facharztausbildung absolviert er im CaritasKlinikum und ist derzeit im fünften Weiterbildungsjahr. „Ich finde das Konzept gut, dass hier viel mit Regionalanästhesie gearbeitet wird. Und wir haben ein tolles Team“, sagt Jan-Nicolas Herzog. Nach zwei Jahren konnte er die Zusatzweiterbildung für Notfallmedizin machen und absolviert seitdem vier Notarzt-Dienste im Monat, wechselnd an den Standorten in Saarbrücken und Dudweiler. „Man weiß nie, was in diesen 24 Stunden passiert – das macht es so spannend.“
Da der Pager ruhig bleibt, geht Jan-Nicolas Herzog in die Prämedikation: „Wir führen dort die Aufklärungsgespräche mit den Patienten vor einer anstehenden Operation. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Kollegen immer dankbar sind für Unterstützung.“ Manche Gespräche werden auch vor Ort auf der Station geführt, wenn die Patienten bereits stationär aufgenommen sind. Jan-Nicolas Herzog erhält zwei Patienten-Mappen für die Gefäßchirurgie und geht damit eine Etage tiefer.
Es bleibt weiterhin ruhig. Obwohl es noch nicht wirklich Mittagessen-Zeit ist, nutzt der Arzt die Gelegenheit, um etwas zu essen. „Die Ruhe kann jederzeit umschlagen, dann ist man froh, wenn man schonmal was gegessen hat.“ Es zeigt sich: die Entscheidung war goldrichtig. Um 11:48 Uhr geht der nächste Anruf ein, um 11.50 Uhr sitzen alle im Auto. Es geht nach Lebach. Meldung der Rettungsleitstelle: Bewusstlose Person. „Bewusstlosigkeit ist eins der Schlagworte, bei dem immer ein Notarzt hinzugezogen wird“, erklärt Jan-Nicolas Herzog. Mit Blaulicht geht es über die Landstraßen, die Autos bilden eine Rettungsgasse. „Man muss trotzdem höllisch aufpassen, bei dieser Geschwindigkeit kann es auch gefährlich werden“, sagt der Notfallsanitäter, der am Steuer sitzt. Und schiebt kurze Zeit später scherzhaft hinterher: „Gleich kommt der Blitzer – bitte lächeln.“
Der Rettungswagen vom Roten Kreuz ist bereits vor Ort. Einer älteren Dame war bei der Pediküre plötzlich schwindelig geworden, dann wurde sie bewusstlos. Beim Eintreffen des Notarztes ist sie schon wieder auf den Beinen, mittlerweile ist auch ihr Mann gekommen. „Sowas ist mir noch nie passiert“, sagt sie, „es geht mir schon besser.“ Jan-Nicolas Herzog schaut sich das EKG an, misst Puls und Blutdruck. Es gibt kein Anzeichen für einen Herzinfarkt, der Bluthochdruck ist bekannt. „Vielleicht müssen Sie ja nicht lange im Krankenhaus bleiben“, sagt er. Und an die Kollegen gewandt: „Ihr habt das im Griff. Da müssen wir nicht mitfahren.“ Und zum Abschied wünschen sich alle gegenseitig: „Gute Schicht.“
Auf dem Rückweg wirkt die Fahrt ohne Blaulicht wesentlich langsamer. Noch während der Fahrt geht der Melder erneut los. Der Ruf kommt aus Püttlingen: ein 37-jähriger Mann mit akutem Thorax-Schmerz. „Das ist der Vorteil, dass wir mit zwei Autos vor Ort waren und nicht mit ins Krankenhaus mussten – so können wir direkt weiter zum nächsten Einsatz.“ Der Rettungswagen kommt diesmal aus Völklingen, da das Püttlinger Team bei einem anderen Einsatz bist: „Diesmal sind wir vermutlich sogar als erstes da.“
Der Patient sitzt in seiner Wohnung im Wohnzimmer. „Ich war mit meiner Mutter in der Stadt einkaufen und hatte plötzlich Schmerzen im Arm und in der Brust. Es hat sich angefühlt wie Stromstöße.“ Jan-Nicolas Herzog und sein Kollege arbeiten parallel, legen das EKG an, messen Puls- und Blutdruck, erfragen Vorerkrankungen. Das erste EKG zeigt eine Auffälligkeit, die sich schnell bestätigt: Ein Gefäß ist verschlossen – Verdacht auf Herzinfarkt. „Wir müssen Sie sofort ins Krankenhaus bringen.“
Schnell wird der Patient auf die Trage gebettet und das nächste freie Herzkatheterlabor kontaktiert. In der Zwischenzeit werden bereits die EKG-Daten und weitere Informationen an das Krankenhaus übermittelt, damit alle Vorkehrungen getroffen werden können. „Das läuft alles parallel, damit kein Zeitverlust entsteht. Beim Eintreffen in der Klinik warten schon alle: „Mit einer Koronar-Angiographie kann geschaut werden, ob die Gefäße verschlossen sind und im Bedarfsfall direkt wieder geöffnet werden.“ Aber das bekommen Jan-Nicolas Herzog und sein Partner nicht mehr mit, da sie sich schon wieder auf den Rückweg ins CaritasKlinikum machen.
Dort angekommen nutzt der Mediziner auf der Intensivstation die Gelegenheit, nach einem Patienten zu schauen, den er vor wenigen Tagen nach einer Reanimation hergebracht hat. „Es ist selten, dass man erfährt, wie es den Patienten im Anschluss geht. Unser Dienst als Notarzt endet oft an der Tür zur Notaufnahme“, sagt Herzog. „Es ist schön, wenn man dann sehen kann, dass unsere Arbeit erfolgreich ist und es dem Patienten bessergeht.“
Im Flur schnappt er sich im Vorbeigehen eine Wasserflasche. Die goldene Regel im Notarzt-Einsatz: „Immer trinken, wenn man dran denkt und immer auf die Toilette gehen, wenn man die Gelegenheit hat. Man weiß nie, wann man zum nächsten Einsatz gerufen wird.“
Hintergrund:
Im September 1995 wurde erstmalig ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) am CaritasKlinikum Saarbrücken in Betrieb genommen. Seitdem steht in einem Notfall 24 Stunden am Tag an 365 Tagen im Jahr ein Notarzt an jedem Standort aus den Reihen der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin zur Verfügung. Rund 40 Ärzte verfügen über eine zusätzliche Weiterbildung in der Notfallmedizin und teilen sich die Dienste auf. Die Notarzteinsatzfahrzeuge an den beiden Standorten des CaritasKlinikums, St. Theresia Saarbrücken und St. Josef Dudweiler, wurden im vergangenen Jahr ca. 5.000 Mal alarmiert. Die Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin ist damit die Abteilung mit den durchschnittlich meisten Einsätzen im Saarland und nimmt eine zentrale Rolle für die Notfallversorgung ein.
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