LICHT ÜBER ALL

Ich gestalte gerne, wo immer das geht. Auch mag ich es, Klarheiten zu schaffen, wann immer ich das kann. Aber wie will man sich aufstellen, wenn – wie wir es seit 9 Monaten erleben – das aktive Handeln so sehr eingeschränkt oder das Entscheiden nur in einer reduzierten Form möglich ist? Dann bleibt die Spannung erst einmal. Das ist schwer auszuhalten.

In der Musik sind es die Dissonanzen, die Spannung erzeugen – und stilistisch werden sie dort „ausgekostet“ und die Spannung gehalten, um den musikalischen Ausdruck tiefer und intensiver erfahrbar zu machen. Ich denke in der letzten Zeit viel darüber nach, ob das nicht ein gutes Modell wäre, dem Leben um mich herum zu begegnen.

Das wäre der Verzicht darauf, das, was quer liegt, „wegmachen“, „bagatellisieren“, „verwitzeln“, entwerten“ oder ihm „davonzulaufen“ zu wollen.

Es wäre der beherzte Mut, angesichts von Widrigkeiten bei mir selber, bei meiner eigenen Stimme zu bleiben; es wäre das kraftvolle Vertrauen darauf, bei Widerständen meine eigene Zielen und meinen eigenen Wert im Blick zu behalten. Treu zu mir selber zu stehen, um Haltung und Würde zu bewahren.

Es wäre die einfühlende Freundlichkeit, meinem Kummer mit einer guten Selbstfürsorge zu begegnen und die geduldige Besonnenheit, auf Unverständliches maßvoll zu reagieren – das wäre gerecht.

Ich kenne Menschen, die das so tun, weil sie „Licht überall“ spüren können – und ihre Haltung gibt mir Hoffnung.

Ich bin mir da ganz sicher, dass diese Menschen die adventliche Friedens-Prophezeiung erfüllen:

Treue sprosst aus der Erde hervor,
Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder
Und unser Land gibt seinen Ertrag

(Ps 85; 12)

Ihnen jedenfalls wünsche ich eine lichtdurchflutete zweite Adventswoche; schließlich ist das Licht
„über All“

Ihr 

Markus Meiser

Klinikseelsorger in St. Josef Dudweiler